Enzyklika Caritate Christi compulsi von Papst Pius XI. an alle Ehrwürdigen Brüder, Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe, Bischöfe und die anderen Oberhirten, die in Frieden und Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl leben über die in der gegenwärtigen Menschheitskrise dem Heiligsten Herzen Jesu schuldigen Gebete und Sühneleistungen, 3. Mai 1932
Einleitung: Materielle und religiöse Krise
1 Die Liebe Christi drängte Uns, mit dem Rundschreiben „Nova impendet“[1] vom 2. Oktober vergangenen Jahres alle Unsere Angehörigen der katholischen Kirche, ja überhaupt alle gutgesinnten Menschen einzuladen, einen heiligen Kreuzzug der Liebe und der Hilfe zu unternehmen, zur Linderung der traurigen Folgen der wirtschaftlichen Krise, in der die Menschheit sich gegenwärtig befindet. Und wahrlich wurde Unser Aufruf mit allgemeiner Opferfreudigkeit und werktätiger Hilfe, mit bewunderungswürdigem und, einträchtigem Eifer beantwortet. Allein die Missstände wuchsen, die Zahl der Arbeitslosen stieg beinahe in allen Ländern; und daraus ziehen umstürzlerische Parteien für ihre Propaganda ihren Vorteil. Infolgedessen ist die öffentliche Ordnung mehr und mehr äußerst bedroht, und in steigendem Maße lastet die Gefahr von Aufstand und Umstutz aller Dinge auf der menschlichen Gesellschaft.
Angesichts einer solchen Sachlage drängt Uns die Liebe Christi, Uns neuerdings an Euch, ehrwürdige Brüder, an eure Gläubigen, und an die ganze Welt zu wenden, um alle zu ermahnen, sich zusammenzuschließen und sich mit dem Aufgebot aller Kräfte dem Unheil entgegenzustemmen, das die gesamte Menschheit bedrückt, und insbesondere den noch schlimmeren Übeln, die hereinzubrechen drohen.
Ursachen der neuesten Weltkrise
Die Finanz- und Wirtschaftskrise
2 Wenn Wir im Geiste die lange und schmerzliche Reihe der Missstände – traurige Erbschaft der Sünde – an Unserem Auge vorüberziehen lassen, die dem gefallenen Menschen die Stationen der irdischen Pilgerfahrt bezeichnen, so begegnen Wir seit der Sündflut schwerlich einer Menschheit, die von so vielen und so großen Übeln sowohl der Seele als des Leibes, so tiefgehend und so allgemein bedrängt war; wie Wir sie gegenwärtig beklagen. Selbst die größten Heimsuchungen, die doch im Leben und in der Erinnerung der Völker unaustilgbare Spuren hinterlassen haben, trafen nur bald diese, bald jene Nation. Heute aber ist die gesamte Menschheit von der Finanz- und Wirtschaftskrise erfasst, und zwar so sehr, dass die Knoten nur um so unlösbarer erscheinen, je mehr man daran zerrt. Es gibt weder ein Volk noch einen Staat, weder eine Gesellschaft noch eine Familie, die nicht selbst durch Heimsuchungen mehr oder weniger bedrückt ist, oder durch fremdes Verderben in den Abgrund mitgerissen zu werden scheint.
Und sogar jene freilich gar wenigen, die da mit ihren ungeheuren Reichtümern das Schicksal der Welt in ihrer Hand zu haben scheinen, sogar diese sehr wenigen Männer, die durch ihre unmäßige Geldgier, zum großen Teile die Ursache so großen Unheils waren und sind: diese selbst – sagen Wir – werden nicht selten von diesen Übeln gar schmählich als erste erfasst und reißen Gut und Geld zahllose anderer mit sich in den Abgrund. Womit man gesündigt hat, wird man auch bestraft.[2]
Habsucht
3 Ehrwürdige Brüder, diese beklagenswerte Sachlage beängstigt Unser väterliches Herz und lässt Uns immer eindringlicher das Bedürfnis empfinden, in Unserer Armseligkeit das erhabene Mitgefühl des göttlichen Herzens Jesu nachzuahmen und jenes Wort auch selbst mitzurufen: Mich erbarmt des Volkes.[3] Noch bedauernswerter aber ist die Wurzel, aus der diese Sachlage entspringt: Denn, wenn es allzeit wahr ist, was der Heilige Geist durch den Mund des heiligen Paulus ausgesprochen hat, dass der Ursprung aller Übel die Begierlichkeit sei,[4] so gilt das ganz besonders in der heutigen Zeit. Ist es nicht vielleicht diese Gier nach vergänglichen Gütern, die der heidnische Dichter mit gerechtem Abscheu schon den «versuchten Hunger nach Gold»[5] genannt hat; ist es nicht vielleicht jene schmutzige Selbstsucht, die allzu oft in den wechselseitigen individuellen und sozialen Beziehungen die erste Rolle spielt; ist es nicht die Begierlichkeit jedweder Art und Gestalt – ist es nicht vor allem das, was die Menschheit in die äußerste Gefahr gebracht hat, die wir jammernd erkennen?
Selbstsucht
Aus der Begierlichkeit wächst nämlich das beiderseitige Misstrauen hervor, das jeden menschlichen Verkehr lähmt; aus der Begierlichkeit der widerliche Neid, der jeden Vorteil des Nebenmenschen als einen eigenen Schaden erscheinen lässt; aus der Begierlichkeit wächst die schmutzige, ungeordnete Eigenliebe, die alles auf den eigenen Vorteil einstellt und ihm unterstellt, ja, ohne auf die andern zu achten, ihre Rechte mit Füßen tritt. Daraus folgt die frevelhafte Unordnung der Dinge und die ungleiche Verteilung der Güter, durch welche die Reichtümer der Nationen in den Händen einiger weniger Privaten angehäuft werden, die nach ihren augenblicklichen Launen den Welthandel zum unermesslichen Schaden der Massen leiten, wie Wir das im verflossenen Jahre in Unserem Rundschreiben „Quadragesimo anno[6] dargelegt haben.
Übersteigerter Nationalismus
4 Wenn dann diese Selbstsucht unter Missbrauch der berechtigten Vaterlandsliebe und unter Übertreibung des berechtigten Nationalgefühls, das die richtige Auffassung der christlichen Nächstenliebe nicht nur nicht missbilligt, sondern es lenkend heiligt und belebt, sich in die Beziehungen zwischen dem einen und dem andern Volke einnistet, dann gibt es keine Ausschreitung mehr die nicht gerechtfertigt erscheint; und was unter den Einzelmenschen allerseits als verurteilenswert betrachtet würde, das wird hier als erlaubt und lobenswert erachtet, sobald es im Namen eines derartigen übertriebenen Nationalismus ausgeübt wird.
An Stelle des großen Gebotes der Liebe und der menschlichen Brüderlichkeit, das alle Nationen und alle Völker umfasst und sie alle in einer einzigen Familie, mit einem einzigen Vater, der im Himmel ist, vereinigt, tritt notwendigerweise der Hass, der alle an den Rand des Untergangs bringt. Im öffentlichen Leben werden die geheiligten Gesetze mit Füßen getreten, welche den Grund jeglichen sozialen Zusammenlebens bildeten. Die festen Grundlagen von Recht und Treue, auf denen der Staat aufbaut, werden zerstört. Es lösen sich auf und geraten in Vergessenheit jene von den Altvordern uns überlieferten Einrichtungen, welche im Glauben an Gott und in der Treue zu seinem Gebot die Kraftquelle für den Fortschritt der Völker und ihre sicherste Stütze sahen.
Die moderne Gottlosigkeit
Diese schweren wirtschaftlichen Missstände und diese große sittliche Unordnung benützen die Feinde jeglicher sozialen Ordnung, mögen sie Kommunisten oder sonst wie heißen. Und, das ist das allergefährlichste Übel. Sie benützen das kühn, um alle Fesseln zu zerschlagen, jedes Band eines göttlichen oder menschlichen Gebotes zu zerreißen und offen und insgeheim den heftigsten Kampf gegen die Religion, gegen Gott selbst anzufachen, mit der Absicht, jede religiöse Kenntnis und Regung bis auf die Wurzeln aus den Herzen der Menschen zu reißen, und dies von zartester Kindheit an. Denn sie wissen sehr gut, dass ihnen nichts mehr im Wege steht, wenn göttliches Gesetz und göttliche Wahrheit aus den Menschenseelen geschwunden sind. Und so sehen wir vor unsern Augen, was man niemals noch in der Geschichte erlebt hat. Wir sehen gottlose Menschen, getrieben von unsäglicher Wut, schamlos die Fahne erheben gegen Gott und jegliche Religion und dies in allen Völkern und Ländern.
Organisierte Gottlosenbewegung
5 Es gab zu allen Zeiten Gottlose; es fehlte nie an solchen, die Gott leugneten; es waren ihrer aber verhältnismäßig wenige, einzelne und vereinzelte, und sie wagten es entweder nicht oder erachteten es nicht als angebracht, allzu sehr ihre gottlose Gesinnung kundzutun, wie das aus göttlichen Hingebung der Sänger der Psalmen selber andeuten zu wollen scheint, wenn er ausruft: Es sagt der Tor in seinem Herzen, es gibt keinen Gott.[7] Er führt den Gottlosen vor als einen einzelnen unter der Menge, der wohl das Dasein Gottes, seines Schöpfers, leugnet, dieses Verbrechen aber in innerster Seele verbirgt.
Heute aber hat dieser verderbenbringende Irrtum schon weite Massen des Volkes erfasst, schleicht sich sogar in die Volksschulen ein und tritt offen in Theatern auf. Seine Anhänger bedienen sich zu seiner Verbreitung der neuesten Erfindungen des Kinos für Vorstellungen, der Schallplatte und des Rundfunks für Konzerte und Reden. In eigenen Druckereien stellen sie Schriften in allen Sprachen her, veranstalten Aufmärsche und öffentliche Ausstellungen mit den Dokumenten und Lehren ihrer Gottlosigkeit. Noch nicht genug; in politischen, wirtschaftlichen, militärischen Sondergruppen organisiert und eng verbunden, arbeiten sie unermüdlich an ihrem frevelhaften Werk, indem sie mittels ihrer Sendlinge durch Reden und Bilder, durch Schriften und alle übrigen Propagandamittel ihre Meinungen geheim und öffentlich in allen Ständen und Kreisen, auf Straßen und Plätzen verbreiten. Und um dieses Werk noch erfolgreicher zu machen, führen sie es dann, gestützt auf das Ansehen und die Mithilfe ihrer Universitäten, mit solch reger, kraftvoller Betriebsamkeit durch, dass sie die Unerfahrenen in ihre Reihen bringen und mit stärksten Banden umschlingen. Angesichts einer so großen, in den Dienst einer verwerflichen Sache gestellten Tätigkeit kommt Uns wahrlich von selbst jene überaus traurige Klage Christi in den Sinn und auf die Lippen: Die Kinder dieser Welt sind in ihrer Art klüger als die Kinder des Lichtes.[8]
Verleumdung der Religion
Aus diesem Grunde versuchen sie auch – und nicht ohne Erfolg – den Kampf gegen Gott mit dem Kampfe um das tägliche Brot zu verknüpfen, mit dem Ruf nach eigenem Grund und Boden, nach gerechtem Lohn, nach anständigen Wohnverhältnissen, nach jener Lebenslage, wie sie dem Menschen ziemt. In ihrer Hemmungslosigkeit ist ihnen alles recht, was ihren gottlosen Plänen und Einrichtungen dient: berechtigte Ansprüche der Natur, entfesselte Leidenschaften. Sie tun, als ob die ewigen, von Gott verkündeten Gesetze dem Glücke der Menschen im Wege stünden, dessen sicherste Urheber und Schützer sie doch vielmehr sind. Sie tun, als ob die menschlichen Kräfte mittelst der modernen Technik, gegen den allmächtigen Willen des höchsten und allgütigen Gottes, in der Welt eine neue und bessere Ordnung der Dinge herbeizuführen vermöchten.
7 Und so schließen sich denn leider Tausende von Menschen solchen Lehren an und schmähen laut Gott und Gottesglauben, und dies in der Meinung, für Leben und Bildung zu kämpfen, in völliger Verkennung der Wahrheit. Diese Angriffe werden nicht nur gegen die katholische Religion gerichtet, sondern gegen alle die noch Gott als den Schöpfer Himmels und der Erde und als absoluten Herrn aller Dinge anerkennen.
Wühlarbeit der geheimen Gesellschaften
Und die geheimen Gesellschaften, die allzeit bereit sind, den Kampf gegen Gott und gegen die Kirche zu fördern, wer auch immer ihn führen mag, unterlassen es nicht, diesen verderblichen Hass mehr und mehr zu schüren, der gar keiner sozialen Klasse weder Frieden noch Glück zu bringen vermag, sondern sicher alle Nationen ins Verderben stürzen wird.
8 So verkündet diese neue Art des Unglaubens, während sich die wildesten Leidenschaften des Menschen entfesselt, mit einer Schamlosigkeit sondergleichen, es werde weder Friede noch Wohlfahrt auf Erden geben, solange nicht der letzte Rest von Religion ausgetilgt und ihr letzter Vertreter weggeschafft sein werde, als ob man damit jenes wunderbare Loblied zum ewigen Verstummen bringen könnte, mit dem alle geschaffenen Dinge Gottes Herrlichkeit künden.[9]
Beitrag der Kirche zur Überwindung der Krise
Entschlossenheit zum Abwehrkampf
Vertrauen auf Gottes Hilfe
9 Wir wissen sehr wohl, ehrwürdige Brüder, dass alle diese Anstrengungen umsonst sind, und dass zu der von ihm bestimmten Stunde Gott sich erheben wird und seine Feinde in alle Windrichtungen auseinanderstieben werden.[10] Wir wissen, dass die Mächte der Hölle sie nicht überwältigen werden.[11] Wir wissen, dass unser göttlicher Erlöser, wie er es vorhergesagt hat, mit der Stimme seines Mundes die Erde erschüttern und mit dem Atem seiner Lippen[12] den Gottlosen töten wird, und dass eine für jene Unglücklichen furchtbare Stunde kommen wird, in der sie im die Hände des lebendigen Gottes fallen.[13]
10 Dieses unerschütterliche Vertrauen auf den schließlichen Triumph Gottes und der Kirche wird Uns durch die grenzenlose Güte des Herrn tagtäglich neubekräftigt angesichts des opferfreudigen Eifers zahlloser Seelen in allen Weltteilen und allen sozialen Schichten für Gott. Wahrhaftig, ein mächtiges Wehen des Heiligen Geistes geht heute über die ganze Erde und zieht insbesondere die jugendlichen Seelen zu den erhabensten christlichen Idealen hin und führt sie über jede schwächliche Menschenfurcht hinaus zu den höchsten Höhen heldenhaften Opfers; es ist ein göttlicher Hauch, der alle Gemüter aufrüttelt, selbst gegen ihren Willen, und eine innere Unruhe fühlen lässt, ein wahres Verlangen nach Gott, sogar bei solchen, die das nicht bekannt zu geben wagen.
Mitwirkung der Laien
Auch Unsere Einladung an die Laien, in den Reihen der Katholischen Aktion am hierarchischen Apostolate teilzunehmen, wurde überall willfährig und begeistert aufgenommen. In Stadt und Land nimmt die Zahl derjenigen ständig zu, die mit aller Kraft sich der Verbreitung der christlichen Grundsätze und ihrer praktischen Anwendung auch im öffentlichen Leben widmen, wobei sie selber darauf bedacht sind, ihre Worte durch das Beispiel ihres unbescholtenen Lebenswandels noch zu bekräftigen.
Angesichts so umfassender Gottlosigkeit, solcher. Missachtung heiligster Überlieferungen, so allgemeiner Verderbnis unsterblicher Seelen, so großer, Beleidigung der göttlichen Majestät, können Wir, ehrwürdige Brüder, es nicht unterlassen, den ganzen herben Schmerz, den Wir empfinden, zum Ausdruck zu bringen, Unsere Stimme mit der ganzen Kraft Unseres apostolischen Geistes zu erheben, um die Verteidigung der geschmälerten Rechte Gottes aufzunehmen und der heiligsten Gefühle des Menschenherzens, das Gottes wahrhaftig bedarf. Es ist das um so dringlicher, als die von teuflischem Geiste erfassten Reihen sich nicht mit dem Lästern zufrieden stellen, sondern alle ihre Kräfte aufbieten, um ihre finsteren Absichten so bald wie möglich auszuführen. Wehe der Menschheit, wenn Gott von seinen Geschöpfen dermaßen gekränkt, in seiner Gerechtigkeit dieser verwüstenden Flut freien Lauf ließe und sich ihrer als einer Geißel bedienen würde, um die Welt zu züchtigen !
Entscheid für oder wider Gott
11 Es ist somit unerlässlich, ehrwürdige Brüder, dass wir, ohne zu ermüden, eine Schutzmauer für das Haus Israel[14] aufrichten, dass auch wir alle unsere Kräfte zu einer einzigen festgefügten Front gegen die ruchlosen Scharen vereinen, die nicht minder die Feinde Gottes als der Menschheit sind ! In diesem Kampfe nämlich geht es um die höchste Entscheidung, die der menschlichen Freiheit vorgelegt werden kann: für Gott oder wider Gott. So lautet neuerdings die Wahl, von der das Schicksal der ganzen Welt abhängt. Denn auf jedem Gebiete, in Politik und Wirtschaft, in der Sittlichkeit, in Wissenschaft und Kunst, im Staate wie in der häuslichen und bürgerlichen Gemeinschaft, in Ost und West, überall tritt uns diese Entscheidung entgegen, deren Folgen wahrlich von höchster Bedeutung sind. Und so kommt es, dass sogar die Lehrer jener Bewegung, die aus rein materialistischer Weltanschauung heraus das Nichtdasein Gottes schon als sicher bewiesen wähnten, immer wieder Erörterungen über Gott anstellen müssen, den sie schon abgetan zu haben glaubten.
Zusammenschluss aller Gutgesinnten
12 Deshalb beschwören wir alle im Herrn, sowohl die einzelnen Menschen wie die Staaten, dass sie angesichts solch schwerer Probleme, angesichts so großer Entscheidungen um das Wohl der Menschheit, jenes schmutzige Streben nur nach eigenem Vorteil und nach eigener ungeordneter Befriedigung ablegen, das selbst die besten Geister abstumpft und so jegliches, auch das edelste Beginnen zum Stillstand bringt, sobald es nur um ein Geringes über die engen Grenzen des persönlichen Nutzens hinausgeht. Möchten sich alle zusammenschließen, selbst wenn es schweren Opfer dazu bedarf, um sich selbst und die gesamte Menschheit zu retten.
In dieser engen Verbindung von Herzen und Kräften sollen natürlich jene die Ersten sein, die sich des christlichen Namens rühmen, eingedenk der leuchtenden Beispiele der apostolischen Zeit, als die Menge der Gläubigen ein Herz und eine Seele bildeten.[15] Es mögen aber auch alle mitwirken, die noch an einen Gott glauben, die aufrichtig und von Herzen ihn verehren, um von der Menschheit die ungeheure Gefahr abzuwenden, die alle bedroht. Der Glaube an Gott ist ja die einzig feste Grundlage, auf die jedwede menschliche Verantwortlichkeit sich stützen muss. Daher müssen alle, die Umsturz und Schreckensherrschaft ablehnen, entschlossen dahin wirken, dass die Feinde der Religion ihre so laut und offen verkündigten Pläne nicht ausführen können.
Schaffung menschenwürdiger Lebensbedingungen
13 Wir vergessen aber nicht, ehrwürdige Brüder, dass man in diesem Kampfe zur Verteidigung der Religion sich auch aller rechtmäßigen menschlichen Mittel bedienen muss, die Uns zur Verfügung stehen. Daher haben Wir im Sinne und Geiste Unseres Vorgängers Leo XIII. seligen Andenkens in Unserem Rundschreiben „Quadragesimo anno“[16] mit so großem Nachdruck eine angemessenere Verteilung der irdischen Güter verfochten, und alle Mittel aufgezeigt, die am sichersten der ganzen menschlichen Gemeinschaft die Gesundheit und die Kraft zurückgeben und ihren leidenden Gliedern Ruhe und Frieden wieder bringen könnten. Der Schöpfer des Weltalls selbst hat ja in die Herzen der Menschen einen sehr starken Trieb nach einer gewissen, der Würde des Menschen angemessenen Glückseligkeit hineingelegt, die sie auch auf der Erde erreichen möchten. Deshalb hat das Christentum rechtmäßige Bestrebungen für den Fortschritt wahrer Wissenschaft und für die Vervollkommnung des Menschen auf gottgewolltem Wege stets wohlwollend anerkannt und sehr tatkräftig unterstützt.
Die Kampfmittel der Christenheit
14 Gegenüber diesem satanischen Religionshass, der an das Geheimnis der Bosheit erinnert, von dem der heilige Paulus spricht,[17] reichen die menschlichen Mittel und die Maßnahmen der Menschen nicht aus, und Wir vermeinen, ehrwürdige Brüder, Unserem Apostolischen Amte Abbruch zu tun, wollten Wir der Menschheit nicht jene wunderbaren Geheimnisse des Lichtes nahe legen, die allein in sich die Kraft bergen, die entfesselten Gewalten der Finsternis zu überwältigen. Als der Herr aus dem Glanze des Tabor herniederstieg und den vom Teufel gepeinigten Knaben heilte, den die Jünger nicht zu heilen vermocht hatten, gab er ihnen auf die demütige Frage: Warum konnten wir ihn nicht austreiben ? mit den denkwürdigen Worten Auskunft: Diese Art von bösen Geistern wird nicht anders als durch Gebet und Fasten ausgetrieben.[18]
Ehrwürdige Brüder, Uns scheint, diese göttlichen Worte seien geradezu bestimmt für die Missstände unserer Zeit, die einzig mittels Gebet und Buße beschworen werden können.
Das Gebet
15 Unserer Bestimmung als wesentlich beschränkte und von einem höheren Sein absolut abhängige Wesen bewusst, wollen Wir also vor allem zum Gebete Zuflucht nehmen. Wir wissen aus dem Glauben, wie viel die Macht des schlichten, vertrauensvollen, beharrlichen Gebetes vermag. Keinem anderen frommen Werke wurden jemals von dem Allmächtigen so große, so allgemeine, so feierliche Versprechungen gegeben wie dem Gebete: Bittet, und es wird euch gegeben werden, suchet und ihr werdet finden, klopfet an, und es wird euch aufgetan werden.[19] Wahrlich, wahrlich sage ich euch, was ihr in meinem Namen vom Vater begehren werdet, das wird er euch geben.[20]
Zur Beschwörung der religiösen Krise:
Privates Gebet
16 Und welcher Gegenstand wäre unseres Gebetes würdiger und würde der anbetungswürdigen Person Dessen mehr entsprechen, der da der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen ist, Jesus Christus,[21] als das Gebet um die Erhaltung des Glaubens an den einen lebendigen und wahren Gott auf Erden? Ein solches Gebet ist in sich schon eine teilweise Verwirklichung der Bitte, denn wo ein Mensch betet, da setzt er sich mit Gott in Verbindung und hält mit anderen Worten schon den lebensspendenden Gedanken an Gott auf Erden fest. Der betende Mensch bekennt mit seiner demütigen Haltung vor der Welt seinen Glauben an den Schöpfer und Herrn aller Dinge, und vereinigt er sich hernach mit anderen im gemeinsamen Gebete, so anerkennt er schon dadurch, dass nicht nur der Einzelmensch, sondern auch die menschliche Gesellschaft einen höchsten und allmächtigen Herrn über sich hat, der ihnen befiehlt.
Liturgisches Gebet
17 Welch wundervolles Schauspiel bietet dem Himmel und der Erde die betende Kirche, wenn ohne Unterlass Tag und Nacht die unter göttlicher Eingebung geschriebenen Psalmen auf Erden gesungen werden; wenn keine Stunde des Tages gezählt wird, die nicht durch ihre eigene Liturgie geweiht wäre; wenn jedes Lebensalter seine Rolle hat beim Dank-, Lob-, Bitt- und Sühnegebet, diesem gemeinsamen Flehen des mystischen Leibes Christi, der Kirche. Also sichert das Gebet die Gegenwart Gottes unter den Menschen, wie der göttliche Erlöser es versprochen hat: Wo zwei oder drei Menschen in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.[22]
Zur Überwindung der materiellen Not:
Richtige Einschätzung der irdischen Güter
18 Das Gebet wird sodann gerade die Ursache der von Uns oben angeführten Schwierigkeiten wegräumen, nämlich die unersättliche Habgier nach irdischen Gütern. Der Mensch, der betet, blickt in die Höhe, also nach den Gütern des Himmels, die er betrachtet und herbeiwünscht. Sein ganzes Wesen versenkt sich in die Betrachtung der wunderbaren, von Gott gegebenen Ordnung, die nichts weiß von der Sucht nach Erfolgen, nichts vom eitlen Ruhm stets besserer Schnelligkeitsrekorde. Auf diese Weise wird sich sozusagen von selbst jenes Gleichgewicht zwischen Arbeit und Ruhe wieder einstellen, das zum großen Nachteil des ganzen Lebens, sowohl des leiblichen als wirtschaftlichen und sittlichen Lebens, in der heutigen Gesellschaft vollständig fehlt. Denn, wenn jene, die durch übertriebene industrielle Produktion der Arbeitslosigkeit und Armut verfallen sind, entsprechende Zeit dem Gebete einräumen wollten, dann würden Arbeit und Produktion gar bald wieder in die vernünftigen Schranken gewiesen, und der Kampf, der heute die Menschheit wegen vergänglichen Interessen in zwei große Heerlager teilt, würde bald einem edlen, friedlichen Wettkampf um Erlangung der himmlischen und ewigen Güter weichen.
Anbahnung des Seelen- und Völkerfriedens
19 Auf diese Weise würde auch der Weg zum heißersehnten Frieden gebahnt, wie der heilige Paulus an jener Stelle andeutet, wo er ausgerechnet den Befehl zum Gebete mit den heiligen Wünschen nach Frieden und Wohlfahrt aller Menschen verbindet: Ich ermahne dich vor allem, Anrufungen, Gebete, Fürbitten und Danksagungen zu verrichten für alle Menschen, für Könige und alle Obrigkeiten, damit wir ein stilles und ruhiges Leben führen in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit. Denn das ist gut und wohlgefällig vor Gott unserem Heiland, der da will, dass Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen.[23]
Für alle Menschen erbete man den Frieden, ganz besonders aber für jene, die in der menschlichen Gesellschaft die schwere Verantwortung der Regierung tragen; wie vermöchten sie denn ihren Völkern den Frieden zu geben, wenn sie selber ihn nicht haben? Und es ist gerade das Gebet, das laut dem Apostelworte das Geschenk des Friedens bringen soll: das Gebet, das des gemeinsame Ausdruck der Gefühle der Familie, jener großen Familie ist, die sich ausdehnt über die Grenzen eines jeden Landes und jedweden Erdteils hinaus.
20 Männer, die in jeder Nation zu demselben Gott um Frieden beten, können nicht gleichzeitig Träger der Zwietracht unter den Völkern sein; Männer, die sich im Gebete an die göttliche Majestät wenden, können nicht jenen nationalistischen Imperialismus begünstigen, der aus jedem Volke sich seinen eigenen Gott macht; Männer, die zum Gott des Friedens und der Liebe[24] aufblicken, die durch Vermittlung Christi sich an ihn wenden, ist er doch unser Friede,[25] werden nicht ruhen, bis schließlich doch der Friede, den die Welt nicht geben kann, vom Spender alles Guten auf die Menschen, die guten Willens sind,[26] herniedersteigt.
21 Der Friede sei mit euch,[27] war der Ostergruß des Herrn an seine Apostel und ersten Jünger. Und dieser Segensgruß hat von jenen ersten Zeiten an in der heiligen Liturgie des Kirche niemals an Bedeutung verloren; mehr denn je muss er heute die verletzten und bedrückten Menschenherzen trösten und wieder aufrichten.
Die Buße
22 Dem Gebete muss sich aber die Buße beigesellen, der Geist der Bußgesinnung und die Ausübung der christlichen Buße. So lehrt es uns der göttliche Meister, dessen erste Predigt ja gerade die Buße betraf: Jesus begann zu predigen und zu sagen: Tuet Buße![28] Dasselbe lehrt uns auch die gesamte christliche Überlieferung, die ganze Kirchengeschichte: die Gläubigen haben in den großen Bedrängnissen, in den großen Wirren der Christenheit, wenn die Notwendigkeit der Hilfe Gottes besonders groß und dringlich war, sei es spontan oder häufiger noch auf Einladung und nach dem Beispiel ihrer Oberhirten, zu den beiden kräftigsten Waffen des geistlichen Lebens gegriffen, zum Gebet und zur Buße. Dank diesem heiligen Triebe, von dem sich das christliche Volk, solange es nicht von Verführern zum Aberglauben verleitet ist, sozusagen unbewusst leiten lässt, und der gar nichts anderes ist als jener Sinn Christi,[29] von dem der Apostel spricht, haben die Gläubigen in ähnlichen Lagen stets das Bedürfnis gefühlt, ihre Seelen von der Sünde zu reinigen, und haben deshalb stets sich bemüht, tiefe Reue zu erwecken, das heilige Bußsakrament zu empfangen und auch durch äußere Bußwerke der göttlichen Gerechtigkeit Sühne zu leisten.
Neubelebung der Bußgesinnung
23 Wir wissen es wohl, und mit Euch, ehrwürdige Brüder, beklagen Wir es, dass in unseren Tagen der Gedanke und sogar der Name der Sühne und der Buße bei manchen zu einem großen Teile die Kraft verloren haben, großmütige Gesinnungen und heldenhafte Tatkraft zu wecken, wie das zu anderen Zeiten der Fall war, da sie in den Augen des gläubigen Menschen mit dem heiligen Merkmal Christi und seiner Heiligen gesiegelt erschienen. Es fehlt nicht an Leuten, welche die äußeren Bußübungen als veraltete Dinge abschaffen möchten, um nicht gar vom heutigen sogenannten freien oder «autonomen Menschen» zu sprechen, der jede Buße als etwas Sklavisches stolz verachtet. Und das nimmt Uns nicht wunder, denn je mehr der Glaube an Gott dahinschwindet, umso mehr wird, der Begriff von einer Erbsünde und einer ursprünglichen Auflehnung des Menschen gegen Gott verwischt und ausgehöhlt, und noch mehr geht die Einsicht von der Notwendigkeit der Buße und der Sühneleistung verloren.
Als Mittel zur Sühneleistung
24 Wir aber ehrwürdige Brüder, haben aus oberhirtlicher Amtspflicht diese Begriffe und diese Auffassung reinzuhalten und sie ihrer wahren Bedeutung, in ihrem ursprünglichen Adel und mehr noch in ihrer Ausübung für das christliche Leben zu erhalten. Das verlangt auch die Verteidigung Gottes und der Religion selbst, die Wir übernommen haben. Denn die Buße ist ihrer Natur nach eine Anerkennung und Wiederherstellung der sittlichen Weltordnung, die auf dem ewigen Gesetz, das heißt auf Gott selbst, beruht. Wer Gott für die Sünde Genugtuung leistet, anerkennt damit ohne weiteres die Heiligkeit der höchsten Sittengesetze, ihre innere verpflichtende Macht und die Notwendigkeit einer Genugtuung gegenüber ihrer Verletzung.
Es ist sicher einer der gefährlichsten Irrtümer unserer Zeit, die Moral von der Religion trennen zu wollen, wodurch man der Gesetzgebung jede Grundlage wegnimmt. Diese Geistesverirrung konnte vielleicht unbeachtet bleiben und weniger gefährlich erscheinen, solange sie sich auf wenige beschränkte und der Gottesglaube noch allgemeines Gut der Menschheit war, und man ihn stillschweigend auch bei denjenigen noch voraussetzte, die ihn nicht mehr öffentlich bekannten.
Als Waffe gegen die Gottlosigkeit
Heute aber, da die Gottlosigkeit sich in den Volksmassen verbreitet, werden die furchtbaren Folgen, dieses Irrtums täglich greifbarer und treten mehr und mehr zutage. An Stelle der Sittengebote, die zugleich mit dem Gottesglauben verblassen, tritt die rohe Gewalt, die jedes Recht mit Füßen tritt. Die alte Zuverlässigkeit und Ehrenhaftigkeit im Handeln, wie auch die Rechtlichkeit im wechselseitigen Verkehr, die doch sogar von den Rednern und Dichtern des Heidentums gar sehr verherrlicht wurde, treten ihren Platz den gewissenlosen Spekulationen ab, sowohl in den eigenen wie in fremden Angelegenheiten. Und wie kann ein Vertrag noch aufrecht erhalten werden, und welchen Wert kann ein Abkommen noch haben, wo jede Gewissens-Garantie fehlt? Und wie kann man von Gewissens-Garantie sprechen, wo jeder Gottesglaube, jede Gottesfurcht abhanden gekommen ist? Ist diese Grundlage zerstört, so fällt auch jedes Sittengesetz dahin, und es gibt keinerlei Mittel mehr, das den schrittweise, aber unausweichlichen Untergang der Völker, der Familien, des Staates, der menschlichen Bildung selber aufzuhalten vermöchte.
Wiederherstellung der sittlichen Weltordnung:
Durch Zähmung der Leidenschaften
25 Die Buße ist somit gleichsam eine wohltätige Waffe, welche in die Hand tapferer Soldaten Christi gelegt ist, die für die Verteidigung und die Wiederaufrichtung der sittlichen Weltordnung kämpfen wollen. Gerade das ist eine Waffe, die alle Missstände an der Wurzel fasst, nämlich, an der Begierlichkeit nach vergänglichen Reichtümern und zügellosen Lebensfreuden. Mittels freiwilliger Sühnopfer, mittels des Verzichtes auf Freuden, selbst wenn er schmerzlich empfunden wird, mittels der verschiedenen Bußübungen, überwältigt der wackere Christ die niederen Leidenschaften, die ihn zur Verletzung der sittlichen Ordnung verleiten wollen. Sind der Eifer für Gottes Gebote und die brüderliche Nächstenliebe in ihm so groß, wie sie es sein sollen, dann beschränkt er seine Bußübungen nicht nur auf sich und seine eigenen Sünden, sondern er opfert sie auch auf zur Sühne für die Sünden anderer nach dem großen Vorbilde der Heiligen, die sich häufig zur Sühne der Sünden ihrer Zeit zum Opfer darbrachten. Ja, sie folgen dabei dem göttlichen Erlöser selber nach, der sich zum Gotteslamm machte, das die Sünden der Welt hinwegnimmt.[30]
Durch Ausrottung der Zwietracht
26 Ehrwürdige Brüder, beruht nicht vielleicht in diesem Bußgeist auch das Geheimnis des Friedens? Es gibt keinen Frieden für die Gottlosen,[31] sagt der Heilige Geist, denn sie leben in ständigem Kampf und Gegensatz zu der von der Natur und deren Schöpfer festgesetzten Ordnung. Nur dann, wenn diese Ordnung wiederhergestellt wird, wenn sämtliche Völker sie getreulich und freiwillig anerkennen und bekennen, wenn die inneren Verhältnisse der Völker und ihre äußeren Beziehungen zu anderen Nationen auf dieser Grundlage aufbauen, erst dann wird ein dauerhafter Friede auf Erden möglich sein.
Zur Schaffung dieser Atmosphäre eines dauerhaften Friedens reichen weder die Friedensverträge noch die feierlichsten Vereinbarungen, weder die internationalen Zusammenkünfte oder Konferenzen noch auch die alleredelsten und uneigennützigsten Bestrebungen der Staatsmänner aus, wenn nicht zuvor die geheiligten Rechte des Naturgesetzes und des göttlichen Gebotes anerkannt werden. Kein Führer des öffentlichen wirtschaftlichen Lebens, keine Organisationskraft wird jemals die soziale Frage einer friedlichen Lösung zuführen, wenn nicht vorher auf dem Gebiete der Volkswirtschaft selbst das auf Gott und dem Gewissen beruhende Sittengesetz triumphiert. Das ist der grundlegende Wert, sowohl im politischen wie im wirtschaftlichen Leben der Völker; das ist die sicherste Währung; solange diese unangetastet bleibt, werden auch alle anderen unveränderlich bleiben, dafür garantiert ja das unabänderliche und ewige Gebot Gottes.
27 Auch für die Einzelmenschen ist die Buße Grundlage und Quelle des wahren Friedens; sie schält sie von den irdischen und vergänglichen Gütern los, erhebt sie zu den himmlischen empor und verschafft ihnen selbst mitten unter Entbehrungen und Widerwärtigkeiten einen Frieden, den die Welt mit allen ihren Reichtümern und Genüssen nicht geben kann. Ist einer der fröhlichsten Jubelgesänge, die jemals in diesem TaI der Tränen vernommen wurden, nicht der berühmte «Sonnengesang» des heiligen Franziskus? Nun aber war jener, der ihn verfasste, der ihn schrieb und ihn sang, einer der größten Büßer, der Arme von Assisi, der gar nichts auf Erden besaß und an seinem abgemagerten Leibe die schmerzlichen Wundmale seines gekreuzigten Herrn trug.
Versöhnung mit Gott dem Herrn
28 Gebet und Buße also sind die beiden geistigen Mächte, die Gott uns in dieser Zeit gegeben hat, damit wir die verirrte und führerlos umhertreibende Menschheit wieder zu ihm zurückführen. Es sind die geistigen Mächte, welche die erste und hauptsächliche Ursache jeglicher Auflehnung und jeglicher Revolution, nämlich die Auflehnung des Menschen gegen Gott, beseitigen und wieder gutmachen sollen. Die Völker selber aber sind aufgerufen, eine endgültige Entscheidung zu treffen: entweder vertrauen sie sich diesen wohlwollenden und wohltätigen geistigen Mächten an und bekehren sich demütig und bußfertig zu ihrem Herrn und Vater der Erbarmungen, oder sie geben sich selbst auf und überlassen den geringen Rest von Glück auf Erden der Willkür des Gottesfeindes, also dem Geiste der Rache und der Zerstörung.
29 Es bleibt Uns somit nichts anderes übrig, als diese armselige Welt, die so viel Blut vergossen hat, die so viele Gräber aufgeworfen und so manche Werke vernichtet hat, die so viele Menschen um Brot und Arbeit gebracht hat, mit den liebevollen Worten der heiligen Liturgie einzuladen: «Bekehre dich zu Gott, deinem Herrn!»[32]
Schluss
Herz-Jesu-Fest im Geist der Sühne
30 Könnten Wir nun, ehrwürdige Brüder, euch eine günstigere Gelegenheit für eine solche Vereinigung in Gebet und Sühne zeigen, als das nächste Herz-Jesu-Fest? Gerade diesem Feste ist ja, wie Wir vor vier Jahren in Unserem Rundschreiben „Miserentissimus“[33] ausführlich dargetan haben, der Geist liebevoller Sühne eigen; daher verfügten Wir, dass man für alle Zukunft alljährlich an diesem Tage in sämtlichen Kirchen für die vielen Beleidigungen, die dieses göttliche Herz verwunden, öffentliche Sühnegottesdienste abhalte.
31 Das Herz-Jesu-Fest sei daher dieses Jahr für die gesamte Kirche ein Tag heiligen Wetteifers im Sühnen und Beten. Zahlreich mögen die Gläubigen zum Tische des Herrn gehen und zu den Altären hineilen, um den Erlöser der Welt unter dem Schleier des Altarssakramentes anzubeten, das Ihr, ehrwürdige Brüder, an diesem Tage in feierlicher Weise in allen Kirchen aussetzen lasset. Mögen recht Zahlreiche in dieses erbarmungsreiche Herz, das alle schmerzende Pein des Menschenherzens verkostet hat, die drückende Last ihres Schmerzes versenken. Ihren starken Glauben, ihre feste Hoffnung, ihre brennende Liebe bekennend, mögen sie mit der überaus mächtigen Hilfe der jungfräulichen Gottesgebärerin, der Mittlerin aller Gnaden, heiße Flehrufe an dieses Heiligste Herz richten für sich und die Ihrigen, für Heimat und Kirche, für den Statthalter Christi und die anderen Oberhirten, die mit ihm die schwere Last der geistlichen Leitung der Seelen tragen. Sie mögen beten für ihre Brüder, ob sie eins seien im Glauben oder im Irrtum leben, ob sie von der Sünde der Gottlosigkeit oder des Heidentums angesteckt seien, und endlich sogar für die Feinde Gottes und der Kirche, damit sie sich bekehren und leben.
32 Dieser Gebets- und Sühnegeist möge sodann in, allen Gläubigen möglichst lebendig und wirksam auch während der ganzen Oktav andauern, womit Wir diese liturgische Feier auszeichnen wollten. Während diesen Tagen sollen öffentliche Gebete und andere fromme Andachtsübungen stattfinden, wie Ihr sie, ehrwürdige Brüder, unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse, vorzuschreiben oder anzuregen für gut findet, um in dem von Uns kurz angedeuteten Sinne Erbarmen und Gnade für rechtzeitige Hilfe zu finden.[34]
33 Es soll daher für das gesamte christliche Volk eine Oktav der Sühne und heiliger Trauer, es sollen Tage der Abtötung und des Gebetes sein. Die Gläubigen mögen den Theatern und sonstigen auch erlaubten Vergnügungen fernbleiben. Die Wohlhabenden mögen freiwillig im Geiste christlicher Entsagung sich in ihrer gewohnten, wenn auch bescheiden bemessenen Lebenshaltung, noch etwas einschränken und dafür willig mit den Armen den Ertrag solchen Verzichtes teilen. Denn auch das Almosen ist ein vortreffliches Mittel, um der göttlichen Gerechtigkeit genugzutun und die göttliche Barmherzigkeit herabzuflehen.
Aufruf an die Geprüften
Die Armen aber und alle, die heute unter des harten Heimsuchung spärlicher Arbeit und spärlichen Brotes leben, mögen mit gleicher Bußgesinnung, mit noch größerer Ergebung die ihnen auferlegten Entbehrungen tragen, unter denen sie infolge der Not der Zeit und, der sozialen Stellung selbst leiden, welche ihnen die göttliche Vorsehung gemäß einem zwar unerforschlichen, aber sicher liebevoll besorgten Ratschluss in der bürgerlichen Gesellschaft angewiesen hat. Demütig und vertrauensvoll aus Gottes Hand die Folgen der Armut annehmend, die noch bitterer geworden sind durch die allgemeine Drangsal, mit der die ganze Menschheit heute ringt, mögen sie Geist und Herz zum göttlichen Vorbild emporheben, das vor aller Augen dasteht, zu Christus, dem Gekreuzigten. Und da werden sie erkennen, dass, wenn auch der Hände Werk und Arbeit zu den größten Lebenswerten gehört, der Menschen Heil doch in der Liebe des leidenden Gottes liegt. So werden sie ihre Herzen mit dem sichersten Trost erfüllen, dass ihre Nöte und Leiden, mit christlicher Ergebenheit ertragen, die Stunde des Friedens und der Erbarmung sehr wirksam beschleunigen.
34 Das göttliche Herz Jesu kann unmöglich gegenüber den Gebeten und Opfern seiner Kirche teilnahmslos bleiben und wird schließlich zu seiner geliebten Braut, die zu seinen Füßen unter der Last so schweren Leides und so großer Bedrängnis seufzt, sagen: Groß ist dein Glaube. Dein Wunsch gehe in Erfüllung.[35]
35 Mit diesem durch die Erinnerung an das Kreuz, das heilige Zeichen und kostbare Werkzeug unserer Erlösung, dessen glorreiche Auffindung wir heute feiern, noch bestärkten Vertrauen, erteilen Wir Euch, ehrwürdige Brüder, Eurem Klerus und Volk und der ganzen katholischen Welt in väterlicher Liebe den Apostolischen Segen.
Gegeben zu Rom, bei St. Peter, am Feste der Kreuzauffindung, den 3. Mai 1932, im elften Jahre Unseres Pontifikates
Pius XI. PP.
Anmerkungen
↑ Vgl. Pius XI., Rundschreiben „Nova impendet“ vom 2. Oktober 1931. AAS XXIII (1931) 393-397.
↑ Weish 11,17 EU
↑ Mk 8,2 EU
↑ 1 Tim 6,10 EU
↑ Vergil, Aenis 3,57
↑ Vgl. Pius XI., Rundschreiben “Quadragesimo anno” vom 15. Mai 1931, AAS XXIII (1931) 177-228.
↑ Ps 13,1 EU und 52 (53) I.
↑ Lk 16,8 EU
↑ Ps 18,2 EU
↑ Ps 67,2 EU
↑ Vgl. Mt 16,18 EU
↑ Jes 11,4 EU
↑ Hebr 10,31 EU
↑ Ez 13,5 EU
↑ Apg 4,32 EU
↑ Vgl. Pius XI., Rundschreiben “Quadragesimo anno” vom 15. Mai 1931, AAS XXIII (1931) 177-228.
↑ 2 Thess 2,7 EU
↑ Mt 17,18-20 EU
↑ Mt 7,7-8 EU
↑ Joh 16,23 EU
↑ 1 Tim 2,5 EU
↑ Mt 18,20 EU
↑ 1 Tim 2,1-4 EU
↑ 2 Kor 13,11 EU
↑ Eph 2,14 EU
↑ Lk 2,14 EU
↑ Joh 20,19.26 EU
↑ Mt 4,17 EU
↑ 1 Kor 2,16 EU
↑ Joh 1,29 EU
↑ Jes 48,22 EU
↑ Offizium der Karwoche, Lesung der Matutin: Lamentationen des Jeremias.
↑ Vgl. Pius XI., Rundschreiben “Miserentissimus redemptor” vom 8. Mai 1928. AAS 20 (1928) 165-178.
↑ Hebr 4,16 EU
↑ Mt 15,28 EU
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Kathpedia gibt folgende Quelle an: Heilslehre der Kirche, Dokumente von Pius IX. bis Pius XII. Deutsche Ausgabe des französischen Originals von P. Cattin O.P. und H. Th. Conus O.P. besorgt von Anton Rohrbasser, Paulus Verlag Freiburg Schweiz 1953, S. 626-645; Imprimatur Friburgi Helv., die 22. maii 1953 L. Weber V. G. Die Nummerierung ist der englischen Fassung angeglichen - siehe Weblink; Einzelausgabe und in der Sammlung: Rundschreiben Pius' XI., über Gebete und Bußwerke, um vom heiligen Herzen Jesu Hilfe in den gegenwärtigen Bedrängnissen der Menschen zu erlangen, übersetzt und erläutert von Prof. Dr. Heinrich von Meurers, Paulinusdruckerei Trier; auch in: Emil Marmy (Hrsg.), Mensch und Gemeinschaft in christlicher Schau, Dokumente, Paulus Verlag Freiburg/Schweiz 1945, S. 513-532; Imprimatur Friburgi Helv., die 21. Augusti 1945 L. Clerc, censor)
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